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Villa Esche Südfassade, historische Aufnahme

Geschichte
Bauherren
Gestalter

Badezimmer, historische Aufnahme, Villa Esche
Badezimmer, historische Aufnahme, Villa Esche

Badezimmer

Schlafzimmer, historische Aufnahme
Schlafzimmer, historische Aufnahme

Schlafzimmer

Halle, historische Aufnahme, Villa Esche
Halle, historische Aufnahme, Villa Esche

Halle

Außenansicht von Nord-Ost, historische Aufnahme, Villa Esche

Außenansicht

Der belgische Gestalter Henry van de Velde erhielt 1902 den Auftrag für den Bau einer repräsentativen Villa. Der junge Chemnitzer Textilunternehmer Herbert Eugen Esche - ein Kenner und Liebhaber zeitgenössischer Kunst - hatte bereits Anfang 1899 bei van de Velde Mobiliar für seine erste Wohnung geordert, die er nach der Heirat mit Johanna Luise Koerner auf dem Kaßberg bezog , einem der größten zusammenhängend erhaltenen Gründerzeit- und Jugendstilviertel Deutschlands. Nun wünschte der erfolgreiche Chemnitzer Strumpffabrikant einen als Gesamtkunstwerk gestalteten Lebensraum, der van de Veldes modernen Idealen zeit- und vernunftgemäßer Gestaltung folgen möge.

So entstand 1902/1903 auf einer Anhöhe im Süden der Stadt Chemnitz van de Veldes erster Architekturauftrag in Deutschland. Herbert und Johanna Esche begegneten dem inzwischen in Deutschland gefragten Gestalter mit großem Vertrauen und ließen van de Velde völlig freie Hand. So umfasste sein „Entwurf für das Leben“ alle Bereiche des Wohnumfeldes der Familie: von Fassade und Raumanordnung über Wandgestaltung, Wandbespannung, Türen, Fenster, Lampen und Teppiche, Mobiliar, Porzellan, Silber, Brieföffner und Reisedecke im Auto – bis hin zu Kleidern und Schmuck für die Dame des Hauses. Darüber hinaus bezog der Belgier den großzügig angelegten Garten funktionell und gestalterisch in das Gesamtkonzept des Hauses ein. 

1911 erfuhr das Haus noch einmal bauliche Veränderungen - ebenfalls nach Entwürfen van de Veldes. Dabei verschwand ein Balkon an der Südwestseite, weitere Räume entstanden und das Ensemble erhielt ein etwas symmetrischeres äußeres Erscheinungsbild. Die bis dato einstöckige Remise für das Automobil der Familie wurde um eine verglaste Orangerie und eine Wohnung für den Gärtner ergänzt. 

Mit der Villa Esche entstand auf diese Weise ein außergewöhnlich authentisches Zeugnis der Architekturauffassung Henry van de Veldes, das aufwändig und sensibel restauriert, diese auch heute sehr anschaulich zu vermitteln vermag.

Geschichte in Zahlen

1902Entwurf durch Henry van de Velde in Weimar
1903Bau der Villa Esche
1911Erweiterung nach Plänen von Henry van de Velde | Tod Johanna Esches
1945Herbert Esche verlässt im Oktober Chemnitz
1945-1947Sitz der Sowjetischen Militärkommandantur
1947-1952Wohnhaus u. a. von Hans Herbert Esche, dem Sohn des Bauherrn
1952-1964Nutzung durch das Ministerium für Staatssicherheit
1964-1989Bildungseinrichtung der Bezirkshandwerkskammer
1989-1998Leerstand und fortschreitender Verfall
1998Kauf durch die Grundstücks- und Gebäudewirtschafts-Gesellschaft mit dem Ziel, die Villa Esche für eine denkmalgerechte öffentliche Nutzung zu bewahren
1998-2001Umfassende Restaurierung unter Leitung des Architekturbüros Werner Wendisch, begleitet von Experten des berufenen Kunstbeirates und der Denkmalpflege
2001Eröffnung als Henry van de Velde Museum, Konzertpodium, Tagungsstätte und Eventlocation | Station der Europäischen Henry van de Velde Route
2011Auszeichnung mit dem 2. Platz unter den TOP-Tagungslocations in Deutschland
2014Aufnahme der Villa Esche unter die Architekturikonen des 20. Jahrhunderts | Auszeichnung mit dem 3. Platz unter den TOP-Tagungslocations in Deutschland

Die Bauherren: Familie Esche

Herbert Eugen Esche (1874 - 1962) entstammte einer angesehenen Textilfabrikantenfamilie, deren Wurzeln im nahegelegenen Limbach bis ins 17. Jahrhundert zurückreichen. Seinem Urahn Johann Esche (1682 - 1752) gebührt der Verdienst, mit der Konstruktion des ersten funktionstüchtigen Strumpfwirkstuhls in Deutschland den Grundstein für eines der erfolgreichsten Unternehmen der sächsischen Textilindustrie sowie für DAS führende Unternehmen der Strumpffabrikation in Deutschland gelegt zu haben.

Herbert Esche war Mitinhaber der Firma Moritz Samuel Esche, die nach ihrer Gründung in Limbach ab 1870 in Chemnitz tätig war und zur sich größten Strumpffabrikation Deutschlands entwickelte. Selbst in Boston und Shanghai konnte man Waren der Firma Moritz Samuel Esche kaufen. Das internationale Ansehen des Unternehmens dokumentierte u.a. bereits die Berufung seines Großonkels Theodor Esche als Juror der Weltausstellungen in Paris und in London.

Aber auch das Engagement der weitläufigen Familie Esche in künstlerischem, öffentlichem und sozialem Interesse hinterließ vielfältige Spuren. Eine Vielzahl von Stiftungen ging auf die weitverzweigte Familie Esche in Limbach und Chemnitz zurück. Mehrere Familienmitglieder folgten zudem Herbert und Hanni Esches Beispiel und umgaben sich in ihrem persönlichen Umfeld mit Entwürfen des großen belgischen Gestalters Henry van de Velde:

  • In Limbach erinnert noch heute die Anna-Esche-Straße an das Wirken der Gattin von Dr. Carl Julius Esche und Großmutter Herbert Esches.
  • Herberts Vater Otto Moritz Eugen Esche war Mitglied des Sächsischen Landtages. Seine Stiftung bot langjährigen und verdienten Arbeitern der Firma Moritz Samuel Esche im Ruhestand angemessenen Wohnraum an der Chemnitzer Forststraße.
  • Herberts Bruder Fritz Esche engagierte sich nach dem Tod seines Vaters an dessen Stelle in der Chemnitzer Kunsthütte, später trat auch Herbert Esche selbst bei.
  • Fritz Esche beauftragte 1907 ebenfalls den belgischen Gestalter Henry van de Velde und ließ für den Chemnitzer Lawn-Tennis-Club C. L. T. C. ein modernes Clubhaus errichten. Die Einrichtung seiner Villa vertraute Fritz Esche Bruno Paul an.
  • Für Herbert Esches Schwager Dr. Theodor Koerner jr. entwarf van de Velde 1914 an der Chemnitzer Beyerstraße eine repräsentative Villa inkl. der kompletten Inneneinrichtung
  • Für Kommerzien- und Stadtrat Theodor Koerner sr., Inhaber der Tintenfabrik Eduard Leopold Beyer und Vater Hanni Esches, gestaltete van de Velde 1908 schräg gegenüber die zweistöckige Halle seiner im Neorenaissancestil gehaltenen Villa.
  • Herbert Esches Bruder Alfred Esche ließ in seiner Wohnung in Leipzig 3 Räume komplett von Henry van de Velde einrichten und erwarb u. a. Silberarbeiten nach Entwürfen van de Veldes.
  • Bruder Arnold Esche hatte das Landgut der Familie Esche in Lauterbach nahe Crimmitschau geerbt und ließ 1907-1909 ebenfalls einige Räume von van de Velde umgestalten und modernisieren.
  • 1905 im Oktober weilte der norwegische Maler Edvard Munch auf Einladung Herbert Esches in der Villa Esche und portraitierte u.a. die Kinder Esche.
  • Gemälde von Paul Signac, Alfred Partikel, Vincent van Gogh, Lovis Corinth und Willy Jaeckel gehörten zur Sammlung von Herbert und Hanni Esche

Der Gestalter: Henry v. d. Velde

Henry van de Velde (1863 - 1957) gehörte am Anfang des 20. Jahrhunderts zu den herausragenden Gestaltern des europäischen Kunstgeschehens. Ausgesprochen vielseitig talentiert, prägte er als Maler, Gestalter, Kunsttheoretiker und Reformer maßgeblich die Ausformung der Spätphase des Jugendstils in Deutschland und gilt als Wegbereiter für die Ideen des Bauhauses. Mit seinem künstlerischen Credo „Die Linie ist eine Kraft“ kämpfte er für die Überwindung des rein Dekorativen und Ornamentalen und für einen neuen Stil, der die überkommenen Formen des Historismus ablösen sollte. Sein ehrgeiziges und ein langes Leben lang vehement verfolgtes Ziel war es, mit einer Einheit von funktionalem und künstlerisch-ästhetischem Anspruch einen neuen Lebens- und Gestaltungsstil zu kreieren und damit eine Reform aller Lebensbereiche zu erreichen.

1957 verstarb van de Velde 94-jährig in Zürich. Kurz zuvor war ihm die Ehrensenatorenwürde der heutigen Bauhaus-Universität in Weimar verliehen worden.

Kurzbiografie Herbert Eugen Esche

Herbert Esche wurde am 27. Juli 1874 in Chemnitz als drittes Kind einer ursprünglich aus Limbach stammenden Fabrikantenfamilie geboren.

 

1898Eintritt in väterliche Strumpffabrik Moritz Samuel Esche
1899Heirat mit Johanna Luise Koerner (1879-1911), der Tochter eines Chemnitzer Tintenfabrikanten
1900Geburt des Sohnes Hans Herbert Esche
1902/03   Planung und Bau der Villa Esche
1903Geburt der Tochter Erdmute Margarete
1905Besuch des norwegischen Malers und Grafikers Edvard Munch im Hause Esche: Es entstanden sechs Bilder der Familienmitglieder und ein Landschaftsbild
1911Tod Johanna Esches. Herbert Esche heiratete nicht wieder
1945verließ Herbert Esche Chemnitz
1946-1962lebte er in Küsnacht/Schweiz bei seiner Tochter
1962starb Herbert Esche dort im Alter von 88 Jahren

Kurzbiografie Henry van de Velde

Henry Clément van de Velde wurde 1863 in Antwerpen geboren.

 

1880-1885 

Studium der Malerei in Antwerpen und Paris

1893

Wechsel zum Kunstgewerbe und zur Architektur

1894

Heirat mit Maria Séthe, einer Schülerin Theo Rysselberghes

1895

Bau seines ersten Hauses „Haus Bloemenwerf“ in Uccle bei Brüssel

1896

Seine Entwürfe von 4 Raumkonzeptionen für die Galerie „Maison de L´Art Nouveau“ von Samuel Bing in Paris, die später dem Jugendstil ihren Namen verlieh, erfahren Ablehnung und Unverständnis

1897

Die gleichen Raumkonzeptionen werden auf der Kunstgewerbeausstellung in Dresden begeistert aufgenommen und begründen seinen Durchbruch beim deutschen Publikum

1900

Umzug nach Berlin, Gestaltung vor allem von Wohnungs- und Geschäftseinrichtungen

1902

Berufung nach Weimar als künstlerischer Berater für Industrie und Handwerk des Großherzogs Sachsen-Weimar-Eisenach

1902/1903  

Entwurf und Bau der Villa Esche

1905-1915  

Lehrtätigkeit in Weimar, Zahlreiche Entwürfe für Auftraggeber in Thüringen und Sachsen, aber nur teilweise realisiert

1904-1911  

Bau bzw. Eröffnung der Kunstgewerbeschule in Weimar (heutige Bauhausuniversität)

1905-1907  

Bau der Kunstschule (heutige Bauhausuniversität)

1907-1908  

Entwurf und Bau eines Clubhauses für den Chemnitzer Lawn Tennisclub C. L. T. C.

1907-1909  

Umgestaltung und Modernisierung einiger Räume im Gutshaus Lauterbach (Landgut der Familie Esche)

1908

Umgestaltung der Halle der Villa Quisisana in Chemnitz

1913

Entwurf und Bau der Villa Schulenburg in Gera

1913/1914  

Entwurf und Bau der Villa Koerner in Chemnitz

1917

Ausreise in die Schweiz, die Familie durfte Deutschland erst später verlassen

1920

Übersiedlung nach Holland, Tätigkeit für das Mäzenatenpaar Kröller-Müller

1921

Bau seines Hauses „De Tent“ (Das Zelt) in Wassenaar bei Den Haag

1926

Übersiedlung nach Brüssel

1926

Gründung der Hochschule für Gestaltung „Instituts Superieur des Arts décoratifs La Cambre“ in Brüssel

1927

Bau seines letzten Hauses „La Nouvelle Maison“ in Tervuren

1927-1936  

Lehrtätigkeit in Brüssel und Gent (Professuren für Architektur)

1943

Tod von Maria Séthes

1947

Umzug in die Schweiz

1957

Henry van de Velde verstirbt 94-jährig in Zürich

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