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Blick in den Damensalon, Villa Esche, Henry van de Velde

Erhalt
Restaurierung
Neuinterpretation

Die Grundstücks- und Gebäudewirtschafts-Gesellschaft m.b.H. Chemnitz (GGG) erwarb im Frühjahr 1998 die seit Anfang der Neunziger Jahre leerstehende und inzwischen von starkem Verfall heimgesuchte Villa Esche. Nach eingehender Bausicherung und Bauforschung begann sie die Restaurierung des denkmalgeschützten Ensembles, die im Frühjahr 2001 zum Abschluss kam. Zur fachlichen Begleitung des Restaurierungsprozesses berief die GGG einen Kunstbeirat, dem namhafte Van de Velde- und Jugendstilexperten Deutschlands angehörten, der damalige sächsische Landeskonservator, eine Vertreterin der Königlichen Belgischen Kommission für Denkmalschutz sowie Experten zu den jeweils anstehenden Themen der Restaurierung.

Von Beginn an war allen Beteiligten klar, dass die historische Substanz des Gebäudes originalgetreu restauriert werden soll. Zudem zeigte man sich einig, dass die für die damalige Zeit progressive, humanistische Geisteshaltung und freundschaftliche Beziehung des Strumpffabrikanten Herbert Esche und des Universalkünstlers Henry van de Velde auch künftig den Geist der Villa mitbestimmen sollten. Die Villa Esche sollte - so wie die Freundschaft zwischen dem sächsischen Unternehmer und dem belgischen Architekten - einen Sockel bilden für den gesellschaftlichen Brückenschlag zwischen Wirtschaft, Unternehmertum, Kunst und Kultur. Notwendige bestandserhaltende Eingriffe und bautechnische Anforderungen der Neuzeit mussten daher mit größter Sensibilität ausgeführt werden, um den ursprünglichen baulichen Charakter nicht zu verfälschen. Das Spannungsfeld der Restaurierung lag also in einer weitestgehenden Erhaltung der originalen Substanz unter Berücksichtigung der Erfordernisse einer zeitgemäßen und denkmalsgerechten öffentlichen Nutzung. Dem war eine umfangreiche fünfmonatige Phase der Bausicherung und Bauforschung vorausgegangen. Die Leitung der Restaurierung lag in den Händen von Frau Kerstin Bochmann und Herrn Werner Wendisch vom Chemnitzer Architektenbüro Bochmann – Wendisch. Nahezu alle an der Restaurierung beteiligten Planer, Handwerks- und Fachfirmen waren ansässig in Chemnitz oder Sachsen.

Bauforschung - Spurensuche

Die Beseitigung der Feuchtigkeitsschäden stellte eines der vordringlichsten und schwierigsten Probleme dar. Die enorme Nässe des Mauerwerks war selbst im Hausinnern überall sichtbar.

Die sich nach 1945 ständig ändernde Nutzung der Villa brachte außerdem für das Haus eine ganze Reihe von Eingriffen und baulichen Veränderungen mit sich. Besonders der von der Staatssicherheit 1952 im Erdgeschoss vorgenommene Einbau eines Kinosaals ging mit einem hohen Verlust an historisch wertvoller Substanz einher.

Wichtige Hinweise entnahmen die Restauratoren insbesondere der noch aus der Entstehungszeit stammenden Bauakte, die unter anderem Zeichnungskopien von Henry van de Velde enthielt.
Von überragendem Wert für eine detailgetreue Wiederherstellung war die umfangreiche Sammlung historischer Fotos mit Innen - und Außenansichten der Villa Esche, die aus verschiedenen Archiven oder dem Nachlass der Familie Esche zusammengetragen wurde. Doch nicht immer waren alle Details auf den Fotos ersichtlich. Umso wichtiger war es, den Ideen zu folgen, die van de Velde beim Entwurf der Villa Esche bewegten.

Farbgebung

Als besonders aufwändig erwies sich die Rekonstruktion der für die Entwürfe van de Veldes bedeutsamen farblichen Raumgestaltung. Da bei allen historischen Fotos aus der relevanten Zeit es sich selbstverständlich nur um Schwarz-weiß-Aufnahmen handelte, veranlasste das leitende Architekturbüro Bochmann-Wendisch akribische farbrestauratorische Forschungen, die auch mit unerwarteten Funden belohnt wurden. Alle Bauteile wurden dabei von Experten systematisch nach Originalfarben untersucht. So konnten z.B. der blaue Farbton der Fenster und der Wände in der zentralen Halle, das Grün der Deckenbalken im Arbeitszimmer und auch der ockergelbe Kalkanstrich des Fassadenputzes von 1911 exakt nachgewiesen werden. Glückliche Zufälle brachten lichtgeschützt erhaltene Reste der verlorengegangenen Wandbespannungen im Herren- und Schlafzimmer zutage, die der originalgetreuen akribischen Rekonstruktion der Fäden und Gewebe dienen konnten.

Sanierungs- und Umbaumaßnahmen

Die geplante künftige öffentliche Nutzung der Villa Esche erforderte bauliche Eingriffe, die einen äußerst behutsamen und sensiblen Umgang mit der originalen Substanz voraussetzten:

So mussten beispielsweise die tragenden Decken- und Treppenelemente an die höhere Verkehrslast einer öffentlichen Nutzung angepasst werden. Da die Villa kein als Fluchtweg geeignetes, durchgängiges Treppenhaus besaß, war der Einbau des neuen und feuersicheren Treppenhauses mit einem behindertengerechten Aufzug erforderlich. Die Einordnung konnte nur im Innenraum an der Nord-Ost-Seite entstehen, wo Nebenräume übereinander lagen. Dazu kamen moderne WC-Anlagen, behindertengerechte Wegführungen oder auch eine moderne Haustechnik mit Fußbodenheizung und Klimaanlage.

Buchtipp

Ein Rundgang durch die Villa Esche: Restaurierung 1998 – 2001

Hrsg.: K. Bochmann, R. Erfurth, D. Mathes, W. Wendisch

Chemnitzer Verlag 2001

90 S.

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